Die Sammlung - PICASSOS FREUNDE & WEGBEGLEITER
Picassos Freunde und Wegbegleiter
Der spanische Künstler Pablo Picasso ist der Namenspatron des Kunstmuseum Pablo Picasso Münster. Seine künstlerische Ausbildung erfährt der junge Picasso in Spanien, doch wird er in Paris, der damaligen Welthauptstadt der Künste, zum großen Revolutionär der Kunst des 20. Jahrhunderts. Eine erste Reise führt ihn 1900 nach Paris. Ab 1904 lässt er sich dauerhaft in der französischen Metropole nieder. In diesem Schmelztiegel treffen sich Künstlerinnen und Künstler aus ganz Europa und stimulieren sich gegenseitig. So drängt es Marc Chagall bereits 1912, sein heimatliches Russland zu verlassen, um in Paris Anschluss an die internationale Avantgarde zu bekommen. Auch Picassos Landsmann Joan Miró kommt 1920 aus Katalonien nach Paris und formt in Kreisen der dortigen Surrealisten seinen unverwechselbaren Stil.
Picassos Kunst kann nicht isoliert verstanden werden, sondern nur im Wechselspiel mit den Strömungen und Impulsen seiner verschiedenen Schaffensphasen. Vor diesem Hintergrund hat das Kunstmuseum Pablo Picasso Münster seit seiner Gründung systematisch Werkkonvolute anderer bedeutsamer Künstler der „École de Paris“ vereint. So beherbergt es mehrere Hundert Werke von Picassos künstlerischem Mitstreiter Georges Braque, von Marc Chagall und Joan Miró. Auch Henri Matisse, zu dem Picasso in einem starken Konkurrenzverhältnis stand, ist mit einer bedeutsamen Kollektion in Münster vertreten.
Georges Braque
Kaum ein Künstler arbeitete so eng und intensiv mit Picasso zusammen wie Georges Braque. Beide entwickelten zwischen 1907/08 und 1914 zusammen den Kubismus als eine der größten Revolutionen in der Kunst der Moderne.
Im Frühjahr 2004 erhielt das Münsteraner Picasso-Museum von der Sparkasse Münsterland Ost 208 Grafiken als Dauerleihgabe. Diese Sammlung bietet einen repräsentativen Querschnitt durch das gesamte grafische Schaffen Braques‘ von 1926 bis zu seinem Todesjahr 1963. Im Gegensatz zu den Werken Picassos ist die Mehrzahl der Grafiken Braques‘ farbig gestaltet. „Ich bin kein revolutionärer Maler, ich suche nicht die Überspanntheit, die Spannung genügt mir.“ Diesem künstlerischen Motto folgte Braque in seinem langen Künstlerleben. Der Franzose fand nach dem kubistischen Abenteuer mit Picasso zu einer ganz eigenständigen Formsprache. Konform zu seiner Devise, er suche nicht die Überspanntheit, umkreist Braque immer wieder einmal gefundene Bildthemen, ohne sich jedoch zu wiederholen: das Stillleben, antike Sujets wie ‚Phaeton auf seinem Himmelswagen‘ oder ‚der Vogel im Flug‘ sind von zentraler Bedeutung für sein Werk.
Auch in den Malerbüchern der Stiftung Classen wird das gesamte Spektrum der Motivwelt Braques‘ erfahrbar. Zu Beginn der 30er Jahre illustriert der Franzose die Theogonie (Göttergeburt) des antiken Autors Hesiod. Braque schafft eine sehr originelle Bildsprache, bei der sich die antike Götterwelt als kurvig mäandernde Linienschwünge artikuliert. Im Spätwerk der frühen 60er Jahre hingegen verdichten sich in der Darstellung fliegender Vögel zentrale künstlerische Fragestellungen für Braque: wie kann man Bewegung in einem statischen Medium wiedergeben, wie ist die Unendlichkeit des Raumes auf einer endlichen Bildfläche zu repräsentieren. Das 1962 erschienene Malerbuch L’Ordre des oiseaux vereint die schönsten diesem Thema gewidmeten Darstellungen Braques‘. Seine Vögel im Flug sind von solcher Prägnanz und Eindringlichkeit, dass die französische Post eine solche Darstellung als Firmenlogo führt.
Vita
Georges Braque
1882 | Georges Braque wird am 13. Mai als Sohn eines Malermeisters in Argenteuil-sur-Seine geboren. |
1890 | Die Familie siedelt nach Le Havre über. |
ab 1899 | Besuch der Abendklassen in der örtlichen Kunstschule. |
1899 | Braque wird Lehrling bei einem Dekorationsmaler. |
1900 | Umzug nach Paris und Fortsetzung seiner Lehre. Er nimmt am Malunterricht der École des Beaux-Artes teil. |
ab 1902 | An der Académie Humbert setzt Braque sein Studium fort. |
1906 | Teilnahme am XXII. Salon des Indépendants, dort macht er die Bekanntschaft mit Matisse, Derain und Vlaminck.Tief beeindruckt von Paul Cézanne und seinen Werken reist Braque im Oktober nach L’Estaque, wo er sich bis Februar 1907 aufhält. |
1907 | Am XXIII. Salon des Indépendants nimmt er mit sechs Werken teil. Vermutlich Ende November/Anfang Dezember besucht er erstmalig Pablo Picasso in seinem Atelier im Bateau-Lavoir. Hier sieht er das im Sommer 1907 beendete Gemälde Les Demoiselles d’Avignon und das begonnene Gemälde Drei Frauen. |
1908 | Im Sommer hält sich Braque erneut in L’Estaque auf. Das kubistische Werk Häuser in L’Estaque entsteht. Ende des Jahres beginnen Braque und Picasso einen regen künstlerischen Dialog. |
1909 | Der Galerist Daniel-Henry Kahnweiler stellt Braques Landschaften aus L’Estaque und seine ersten kubistischen Stillleben aus. |
1910 | Im Frühjahr entsteht mit Frau mit Mandoline das erste ovale kubistische Gemälde Braques. |
ab 1911 | Braque lebt mit Marcelle Lapré zusammen. |
1912 | Die Phase des „synthetischen Kubismus" beginnt, in der Braque Papiercollagen, die sogenannten Papiers collés, schafft. |
1913 | Der Künstler beteiligt sich an der Armory Show in New York mit drei Gemälden. |
1914 | Sommeraufenthalt in Sorgues mit Picasso und Derain. Braque wird als Soldat eingezogen. |
1915 | Schwere Kriegsverletzung, auf die eine Schädeloperation folgt. |
1917 | Rückkehr nach Paris. |
1922 | Im Salon d’Automne wird Braque ein eigener Raum zur Verfügung gestellt. Er verkauft alle 18 ausgestellten Werke. |
1925 | Braque und Marcelle Lapré heiraten. |
1930 | Der Künstler baut ein Landhaus im Badeort Varengeville-sur-Mer bei Dieppe. |
1933 | Erste große Retrospektive in der Kunsthalle Basel. |
ab 1939 | Braque widmet sich intensiv der Bildhauerei und der Keramik. |
1947 | Er arbeitet mit dem Steindrucker Fernand Mourlot in Paris zusammen, der seitdem seine Lithografien druckt. |
1948 | Bei dem Galeristen Aimé Maeght in Paris erscheint die Lithografien-Suite Cahier de Georges Braque. |
1953 | Braque erhält den Auftrag, ein Deckengemälde für die Etruskische Galerie im Louvre auszuführen. |
1955 | Teilnahme an der „documenta I“. |
1958 | Der Künstler wird mit dem internationalen Antonio-Feltrinelli-Preis ausgezeichnet. |
1961 | Ausstellung „L’Atelier de Braque“ im Louvre. |
1962 | Für die Fondation Maeght bei Saint-Paul-de-Vence schafft er ein Wasserbecken und ein Glasfenster in der dazugehörigen Kapelle. |
1963 | Braque stirbt am 31. August in Paris und wird in Varengeville beigesetzt. |
Marc Chagall
Hervorstechendstes Merkmal der Bildwelt Chagalls ist das Glühen und Pulsieren seiner Farben. In der Kunst der Moderne gilt er als unerreichter Farbkünstler und auch Pablo Picasso bewunderte den unverwechselbaren Koloristen Chagall, als er einmal ausführte: „Ich mag zwar nicht seine fliegenden Bauern und Kühe, aber als Farbkünstler ist er einzigartig.“
Das Kunstmuseum Pablo Picasso beherbergt seit 2008 eine 137 Grafiken umfassende Chagall-Sammlung, die die Sparkasse Münsterland Ost erwarb, um sie dem Museum als Dauerleihgabe zur Verfügung zu stellen. Die Lithografien und Holzschnitte entstanden mehrheitlich in der Pariser Druckerei Mourlot, in der auch Braque, Matisse und Picasso arbeiteten. Chagall und Picasso verbindet der Umstand, dass sie die wohl fruchtbarsten Grafiker der Klassischen Moderne sind. So steht das lithografische Werk von Chagall demjenigen Picassos in nichts nach, es ist mit über eintausend Werken sogar noch umfangreicher. Über den Stellenwert der Grafik in seinem Schaffen hat Chagall einmal geäußert: „Wenn ich einen Lithografiestein oder eine Kupferplatte anfasste, hatte ich das Gefühl, als ob ich einen Talisman berührte.“ Während Picasso vornehmlich als Großmeister der schwarz-weißen Linienkunst gilt, schuf Chagall analog zu seinen Gemälden farbig reich orchestrierte Grafiken.
Die im Picasso-Museum aufbewahrte Kollektion umfasst eine Vielzahl von Unikaten und seltenen Zustandsdrucken. Hierdurch besitzt sie einen ausgesprochenen Werkstatt-Charakter, der die Entstehung der Werke und insbesondere das Bilddenken Chagalls sinnfällig macht.
Die Stiftung Classen im Kunstmuseum Pablo Picasso Münster besitzt weitere prominente Werke Marc Chagalls, die die Kollektion der Grafiken komplettieren und abrunden. Mit den für das Malerbuch Die toten Seelen geschaffenen Radierungen bringt Chagall in liebevoll-ironischer Pointierung seinem heimatlichen Russland eine Hommage. Die Grafiken illustrieren die von Nicolai Gogol verfasste Erzählung eines windigen Steuerbetrügers, der in der russischen Provinz einen großangelegten Verwaltungsbetrug plant. Mit den 105 ganzseitigen Radierungen, die er ab den frühen 30er Jahren für die Bibel schuf, hat Chagall nach eigenem Bekunden sein grafisches Meisterwerk hinterlassen. Die Illustrationen folgen persönlichen Vorlieben und nicht religiösen Dogmen. Chagall bezeichnete die Bibel als „reichste poetische Quelle aller Zeiten.“ Konform zu dieser Äußerung behandelt Chagall die Bibel als Sammlung exemplarischer menschlicher Schicksale, er sucht das Weltliche im Religiösen und religiöse Dimensionen im vordergründig Weltlichen.
Vita
Marc Chagall
1887 | Moishe Sacharowitsch Shagal wird am 7. Juli als ältestes von neun Kindern der Eltern Sachar und Feiga-Ita in Witebsk (Weißrussland) geboren. |
1906 | Chagall zieht nach Sankt Petersburg. |
1908 | Besucht den Unterricht an der Swanzewa-Kunstschule, unter anderem bei Léon Bakst. |
1910 | Im Spätsommer geht Chagall nach Paris und richtet sich in einem Atelier nahe der Gare Montparnasse ein. |
1911/12 | Der Künstler zieht im Winter in ein neues, größeres Atelier im Künstlerhaus „La Ruche“ um. |
1913 | Chagall nimmt am ersten Herbstsalon in Berlin teil. |
1914 | In Berlin findet Chagalls erste Einzelausstellung statt. |
1915 | Hochzeit mit Bella Rosenfeld in Witebsk und gemeinsamer Umzug nach St. Petersburg. |
1916 | Geburt der Tochter Ida. |
1918 | Ernennung zum Kommissar für die Schönen Künste im Gouvernement Witebsk. |
1919 | Chagall gründet die Witebsker Kunstschule. |
1921 | Der Künstler betätigt sich als Zeichenlehrer in der Kriegswaisenkolonie Malachowka. Noch im selben Jahr beginnt er mit der Niederschrift seiner Autobiografie. |
1923 | Rückkehr nach Frankreich. |
1925 | Chagall beginnt im Auftrag Ambroise Vollards mit der Illustration zu La Fontaines Fabeln. |
1931 | Beginn mit der Arbeit an den Radierungen für die Bibel. Chagall reist dafür nach Palästina, Syrien und Ägypten. |
1937 | 59 malerische und grafische Arbeiten Chagalls werden aus deutschen Museen beschlagnahmt. Vier davon werden auf der Wanderausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt. |
1939 | Mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zieht Chagall ins südfranzösische Gordes, um eine größere Distanz zu Deutschland und dem Kriegsgeschehen zu schaffen. |
1941 | Emigration in die USA. |
1944 | Chagalls Frau Bella stirbt an den Folgen einer Infektion. |
1945 | Für die Metropolitan Opera stattet er Igor Strawinskys Feuervogel aus. Chagall geht eine Beziehung mit seiner Haushälterin Virginia Haggard McNeil ein. |
1946 | Geburt des Sohnes David aus der Beziehung mit Virginia Haggard McNeil. |
1948 | Er kehrt nach Paris zurück und erhält auf der 25. Biennale in Venedig den Grafikpreis. |
1950 | Chagall lässt sich in der Villa „Les Collines“ in Saint-Paul-de-Vence nieder. |
1952 | Griechenlandreise. Er heiratet Valentina Brodsky, genannt Vava. |
1957 | Erste Glasmalerei im Baptisterium der Kirche Notre-Dame von Assy. |
1959 | Retrospektiven in Paris, München und Hamburg. |
1962 | Glasfenster für das Universitätsklinikum in Jerusalem. |
1964 | Reise nach New York. Glasfenster für das Gebäude der Vereinten Nationen. Einweihung des Deckengemäldes Chagalls in der Pariser Oper. |
1967 | Einweihung der Wandgemälde in New York (Metropolitan Opera und Lincoln Art Center). |
1969 | Einweihung der Knesset mit Tapisserien und Mosaiken von Chagall. |
1973 | Eröffnung des Musée National Message Biblique Marc Chagall in Nizza. |
ab 1978 | Glasfenster für St. Stephan in Mainz. |
1985 | Große Retrospektive in der Royal Academy of Arts in London und im Philadelphia Museum of Art. |
1985 | Marc Chagall stirbt am 28. März in Saint-Paul-de-Vence. |
Henri Matisse
Pablo Picasso und Henri Matisse lernten sich in Paris im Jahre 1905 im Hause der amerikanischen Schriftstellerin und Kunstsammlerin Gertrude Stein kennen. Beide Künstler beäugten sich eifersüchtig im Hinblick auf das Schaffen des anderen. Sie standen lebenslang in künstlerischer Konkurrenz, die jedoch von gegenseitigem Respekt geprägt war.
Das Kunstmuseum Pablo Picasso Münster beherbergt seit 2015 neben seinen umfangreichen Picasso-Beständen auch die größte deutsche Matisse-Sammlung. Die 121 Grafiken umfassende Kollektion wurde dem Museum von der Sparkasse Münsterland Ost als Dauerleihgabe übergeben. Die Werke lagerten über sechzig Jahre im Pariser Banksafe der Familie Matisse.
Die Sammlung umfasst mit Holzschnitten, Radierungen, Lithografien und Linolschnitten alle bedeutenden grafischen Techniken. Sie deckt im Werk des Franzosen einen Schaffenszeitraum von 1906 bis 1951 ab. Somit spannt sie einen Bogen vom frühen, fauvistischen Matisse bis hin zum reifen Künstler, der in Vence und Nizza seine farbenprächtigen Scherenschnitte schuf.
Der Schwerpunkt der Kollektion liegt auf der sogenannten ersten Nizza-Periode in den 1920er Jahren, als sich Matisse wegen des Lichts und des milderen Klimas an der Côte d’Azur niederließ. Er umkreist in diesen Jahren immer wieder das Thema des Frauenaktes, dem er durch vorderorientalische Gewandung und Dekor den Hauch des Fremdländisch-Exotischen verleiht.
Die 30er bis 50er Jahre im Schaffen von Matisse werden durch die insgesamt zehn Malerbücher dokumentiert, die in der Sammlung Classen im Kunstmuseum Pablo Picasso Münster vereint sind. Mit zarten Radierungen hat Matisse in den frühen 30er Jahren eine visuelle Begleitmusik zu Gedichten von Stéphane Mallarmé geschaffen. Neben antiken Gestalten lässt er hier auch Impressionen seiner zuvor unternommenen Tahiti-Reise aufscheinen. Mit Jazz gestaltet der späte und von Krankheit gezeichnete Matisse das kühnste und ungewöhnlichste Malerbuch des 20. Jahrhunderts. Gleich einem Jazzmusiker, der Themen improvisierend variiert, umkreist der Franzose in kühnen, bisweilen dissonanten Farbakkorden die Welt des Zirkus, der Akrobaten und professionellen Spaßmacher. Sie sind gleichnishaft im Hinblick auf das moderne Künstlertum zu verstehen – im Zentrum der Aufmerksamkeit stehend bleiben sie doch gesellschaftliche Außenseiter und Randexistenzen.
Vita
Henri Matisse
1869 | Henri Émile Benoit Matisse wird am 31. Dezember in der nordfranzösischen Stadt Le Cateau-Cambrésis geboren. Seine Eltern Héloise und Émile betreiben einen Samenhandel und eine Drogerie. |
1882-1887 | Besuch des Gymnasiums in Saint-Quentin. |
1887-1888 | Jurastudium in Paris. |
1892 | Besuch von Abendkursen der École des Arts décoratifs (Kunstgewerbeschule). |
1894 | Geburt der Tochter Marguerite, deren Mutter Camille Joblaud Matisse Modell stand. |
1895 | Nach bestandener Prüfung offizielle Aufnahme in die École des Beaux-Arts als Schüler des symbolistischen Malers Gustave Moreau. |
1898 | Heirat mit Amélie Noellie Alexandrine Parayre. |
1899 | Geburt des Sohnes Jean Gérard. Nach einem Streit mit Fernand Cormon – der nach Moreaus Tod dessen Nachfolger wurde – wird er von diesem gebeten die École des Beaux-Arts zu verlassen. Ankauf von Paul Cézannes Gemälde Die drei Badenden, welches großen Einfluss auf sein künstlerisches Schaffen ausübt. |
1900 | Geburt des Sohnes Pierre. |
1904 | Erste Einzelausstellung in Ambroise Vollards Gallerie. |
1905 | Matisse reist im Sommer gemeinsam mit André Derain und Maurice de Vlaminck in das südfranzösische Dorf Collioure. Im Rahmen der gemeinschaftlichen Zusammenarbeit entwickeln die Künstler einen neuen Malstil, den sog. Fauvismus. Besonderes Aufsehen erregt Matisse´ Gemälde Frau mit Hut, das von Leo Stein erworben wird und den Auftakt der umfangreichen Matisse-Sammlung der Familie Stein bildet. |
1909 | Der russische Sammler Sergei Schtschukin gibt die großformatigen Gemälde Der Tanz und Die Musik in Auftrag. Matisse‘ finanzielle Lage erlaubt nun den Ankauf eines Hauses in Issy-les-Moulineux. |
1910 | Teilnahme an der von Roger Fry in London kuratierten Ausstellung „Manet and the Post-Impressionists“. Große Retrospektive in der Galerie Bernheim-Jeune. |
1914 | Bei Ausbruch des 1. Weltkrieges bittet Matisse vergeblich darum, zum Militärdienst eingezogen zu werden. Die Familie siedelt nach Collioure über. |
1916 | Auf Anraten seines Arztes verbringt Matisse den Winter in Nizza im Hotel Beau-Rivage. Die Stadt an der Côte d’Azur wird in den kommenden Jahren zum Lebensmittelpunkt des Künstlers. |
1918 | In der Galerie Guillaume findet die Ausstellung „Matisse – Picasso“ statt. Matisse lernte Picasso im Jahr 1906 im Salon der Steins kennen, seit diesem Zeitpunkt befinden sich beide Künstler in freundschaftlich-kreativem Dialog und Wettstreit miteinander. |
1927 | Matisse erhält den Preis der Carnegie International Exhibition in Pittsburgh. |
1940 | Rückkehr nach Cimiez. |
1943 | Nach einem Luftangriff auf Cimiez zieht Matisse in die Villa „La Rêve“ in dem in der Provence gelegenen Dorf Vence um, die bis 1948 sein Wohnsitz bleibt. |
1945 | Gemeinschaftliche Ausstellung mit Picasso im Victoria und Albert Museum in London. |
1947 | Veröffentlichung des aus Scherenschnittkompositionen bestehenden Künstlerbuches Jazz, an dem Matisse seit drei Jahren arbeitete. |
1950 | Erhält den Großen Preis für Malerei auf der 55. Kunstbiennale in Venedig. Er bittet darum, den Preis mit seinem Freund, dem Bildhauer Henri Laurens, teilen zu dürfen. |
1951 | Große Retrospektive im Museum of Modern Art, New York. |
1952 | Offizielle Eröffnung des Musée Matisse in Cateau-Cambrésis, Frankreich. |
1954 | Henri Matisse stirbt am 3. November an einem Herzanfall in Nizza. Er wird auf dem Friedhof von Cimiez beigesetzt. |
1963 | Eröffnung des Musée Matisse in Nizza. |
Joan Miró
Pablo Picasso war zwölf Jahre älter als Joan Miró. Als dieser im März 1919 erstmalig nach Paris reiste, galt einer seiner ersten Besuche dem bereits berühmten Landsmann. Die Familien beider kannten sich aus Barcelona und waren miteinander befreundet. So fand Joan Miró freundliche Aufnahme bei Picasso, mit dem ihn zeitlebens eine Künstlerfreundschaft verband.
Die Stiftung Classen zählt zwei der gelungensten und berühmtesten Malerbücher von Joan Miró zu ihren Schätzen. Für das Werk Parler seul schuf Miró Lithographien zu Gedichten von Tristan Tzara (eigentlich Samuel Rosenstock). Sie waren im Sommer 1945 in einer psychiatrischen Klinik in Saint-Alban (Lozère) entstanden. Die tiefgreifende menschliche Erfahrung der Gespräche mit den Patienten hat Tzara in den Werken verewigt. Miró und der Dadaist Tzara waren seit den 20er Jahren miteinander befreundet. Die künstlerische Symbiose aus Texten und poetischen Bildzeichen zeugt von der engen Zusammenarbeit beider Künstler in diesem vierhändig geschaffenen Werk.
Das Malerbuch A toute épreuve ist das ehrgeizigste Projekt Mirós im Medium der Buchgrafik. Die Gedichte Paul Eluards kreisen thematisch und motivisch um Katalonien und seinen mit der Ehefrau Gala 1930 unternommenen Besuch bei Salvador Dalí. Gala verliebte sich damals unsterblich in Dalí und verließ ihren Mann. Miró schlug vor, Holzschnitte für die Gedichte zu schaffen. Fast zehn Jahre arbeitete er an diesem ambitionierten Werk und schrieb im Juni 1948: „Ich habe Versuche gemacht, durch die ich sehen konnte, was es heißt, ein Buch zu machen, nicht zu illustrieren, die Illustration ist immer etwas Nebensächliches. Wichtig ist, dass ein Buch die ganze Würde einer in Marmor gehauenen Statue hat.“ Texte und Bilder stehen folglich in einem äußerst freien, eher assoziativen Bezugsverhältnis, akzentuieren und rhythmisieren die Gedichte und bilden bisweilen zeichenhaft verkürzte Notabene-Zeichen.
Vita
Joan Miró
1893 | Joan Miró i Ferrà wird am 20. April als Sohn des Goldschmieds und Uhrmachers Miquel Miró i Adzerias und seiner Frau Dolors Ferrà di Oromí, Tochter eines Kunsttischlers aus Palma, in Barcelona geboren. |
1907 | Besuch der Handelsschule in Barcelona. Zeitgleich Unterricht an der Kunstakademie „La Llotja“, an der Pablo Picasso neun Jahre zuvor Schüler gewesen war. |
1910 | Beginn einer Lehre in der Buchhaltung des Handelshauses Dalmau i Oliveras. |
1911 | Miró erkrankt schwer an Depressionen und Typhusfieber. Erholungsaufenthalt auf dem neuerworbenen Bauernhof der Familie in Mont-roig del Camp nahe Tarragona. |
1912-1915 | Studium an Francesc Galís privater Kunstakademie. Freundschaft mit dem Keramiker Josep Llorens i Artigas. |
1915-1918 | Besuch von Zeichenkursen im Cercle Artístic de Sant Lluc. |
1918 | Im Februar erste Einzelausstellung in der Galerie Dalmau in Barcelona. |
1919 | Erste Reise nach Paris, wo er Pablo Picasso in dessen Atelier aufsucht. Beginn einer engen Künstlerfreundschaft. |
1920 | Lässt sich Ende des Jahres in Paris nieder. Die Sommermonate verbringt er bis 1932 weiterhin in Mont-roig. Begegnung mit Louis Aragon, André Breton, Paul Eluard, Tristan Tzara und Francis Picabia. |
1921 | Erste Einzelausstellung in der Pariser Galerie La Licorne. |
1921 | Stellt im Salon d’Automne in Paris aus. Begegnet Ernest Hemingway, Ezra Pound und Henry Miller. |
1925 | Im November Teilnahme an der Ausstellung „La peinture surréaliste“ in der Galerie Pierre. |
1926 | Arbeitet mit Max Ernst an dem Bühnenbild für eine Aufführung der Ballets Russes von Romeo und Julia. |
1928 | Reise in die Niederlande. Lernt die Bildhauer Constantin Brâncuși, Alberto Giacometti und Alexander Calder kennen. |
1929 | Heiratet am 12. Oktober Pilar Juncosa Iglesias in Palma de Mallorca. |
1930 | Am 17. Juli Geburt der einzigen Tochter Maria Dolores in Barcelona. |
1932 | Lässt sich in Barcelona nieder. |
1933 | Erste Radierungen |
1936 | Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs, Miró flieht nach Paris. Teilnahme an der Ausstellung „Fantastic Art, Dada, Surrealism“ im Museum of Modern Art, New York. |
1937 | Für den Pavillon der Spanischen Republik auf der Weltausstellung in Paris malt Miró sein heute als verloren geltendes Monumentalgemälde Der Schnitter. |
1939 | Umzug nach Varengeville-sur-Mer in der Normandie. |
1940 | Rückkehr nach Paris. Flieht vor dem Vormarsch der deutschen Truppen nach Mallorca. |
1941 | Erste große Retrospektive im Museum of Modern Art, New York. |
1942 | Rückkehr nach Barcelona in die elterliche Wohnung. |
1944 | Beginn der Zusammenarbeit mit dem Keramiker Llorens i Artigas. |
1947 | Erste Reise in die Vereinigten Staaten. Wandbild für das Terrace Plaza Hotel in Cincinnati. |
1948 | Nach achtjährigem Aufenthalt in Spanien Rückkehr nach Paris. |
1949 | Zwischen 1949 und 1951 entstehen in der Pariser Druckerei Fernand Mourlot u.a. 90 Farblithografien zu Parler seul von Tristan Tzara. |
1954 | Großer Preis für Grafik der Biennale von Venedig. Miró ist mit sechs Bildern auf der „documenta I“ vertreten (auch 1959 und 1964 wird er zur „documenta“ eingeladen). |
1956 | Siedelt endgültig nach Mallorca über, wo er sich von Josep Lluis Sert ein Atelier bauen lässt. |
1958 | Wandreliefs Die Wand der Sonne und Die Wand des Mondes für das UNESCO-Gebäude in Paris. Auszeichnung mit dem Guggenheim International Award. |
1964 | Einweihung der Fondation Maeght in Saint-Paul-de-Vence, Frankreich und seines von Miró ganz mit Keramiken und Plastiken ausgestatteten Labyrinths (1968 fertiggestellt). |
1966 | Erste Japanreise anlässlich einer Retrospektive in Tokio und Kioto. |
1967 | Großer Preis für Malerei der Carnegie Foundation in Pittsburgh. |
1970 | Keramikwandbilder für die Weltausstellung in Osaka und den Flughafen in Barcelona. |
1976 | Am 18. Juni offizielle Einweihung der Fundació Joan Miró, Centre d’Estudis d’Art Contemporani in dem von Josep Lluis Sert entworfenen Gebäude im Park von Montjuic in Barcelona. |
1978 | Erste Retrospektive in Spanien im Museu de Arte Contemporaneo in Madrid. |
1979 | Ehrendoktorwürde der Universität Barcelona. |
1980 | Keramikwandbilder für den neuen Palacio de Congresos in Madrid. König Juan Carlos überreicht Miró die Goldmedaille der Schönen Künste des spanischen Staates. |
1983 | Miró stirbt am 25. Dezember in seiner Villa in Palma de Mallorca. Die noch zu Lebzeiten gegründete Fundació Pilar i Joan Miró wird 1992 in seinem Wohnhaus eröffnet und durch ein Museumsgebäude ergänzt. |